Elfter Tag - von St.Petersburg (Russland) bis Utema (Litauen)
Morgens um 7.00 Uhr war das Taxi da. Wir fuhren wieder mit den beiden Hausdamen zur anderen Pension "Sovjetskaya 5" um unsere Motorräder zu holen. Lena blieb dort, um ihre Arbeit zu erledigen und Irina zeigte uns den Weg zurück zu unserer Pension.
Nach dem Packen der Motorräder ging es los. Es war jetzt gerade mal 8.00 Uhr morgens.
Das letzte Schild Richtung Pskov hatte ich bei der Ankunft in St. Petersburg am Ufer der Neva gesehen. Also fuhren wir den Nevskiprospekt hinunter und bogen Richtung Süden ab, immer an der Neva lang. Wir kamen durch viele Straßenschluchten, aber Wegweiser sahen wir keine.
So folgten wir in etwa der Himmelsrichtung gegen Süden und plötzlich waren auch Richtungsschilder da. Wir benötigten bestimmt eine Stunde um die Stadt hinter uns zulassen. Als wir St.Petersburg verließen, war auf der Gegenseite ein kilometerlanger Stau von hineinströmenden Fahrzeuge. Immer öfter kamen uns Fahrzeuge auf unserer Spur entgegen, die einfach im Gegenverkehr am Stau vorbeifuhren. Die vielen Glassplitter auf der Straße zeigten, dass das nicht immer gut ging.
Endlich raus aus dem Verkehrchaos und erst einmal Tank- und Pinkelpause machen. Wir hatten noch etwa 400 Kilometer Russland vor uns und waren gespannt, was da auf uns zukommen würde.
Landschaftlich bot die Strecke wie im Baltikum nicht viel
Aufregendes. Nur bei Sümpfen wurde die Straße drumherum gebaut,
sonst ging es immer geradeaus (wie gehabt).
Links und rechts des Weges lagen kleine Bauernhäuser und
Anwesen, dann wieder endlos lange Wälder und viele Sumpfgebiete.
Der Straßenbelag wechselte von Spitzenqualität bis schlimmste
Buckelpiste. Jeder neue Kilometer war immer für eine Überraschung
gut.
Ebenso hatten die Häuser und Straßendörfer entlang des Weges
unterschiedliche Erhaltungsgrade.
So kamen wir durch Pskov, eine große Stadt mit einer katastrophalen Straßen - und Verkehrslage. An einer Tankstelle, die außerhalb lag, machten wir wieder Pause. Die Leute waren sehr nett zu uns und wir sprachen mit Händen und Füßen miteinander. Der Unterschied zwischen Großstadt und Land ist recht groß. Trotz allem gab es keine Schwierigkeiten mit der Benzinversorgung. Neue Tankstellen waren bestimmt alle 30 Kilometer zu finden.
Hinter Ostrov bogen wir Richtung lettische Grenze ab. Die Straße war als Hauptstraße nicht wirklich erkennbar, so dass wir öfters die Karte nahmen, um die Orte durch die wir kamen, zu finden. Erst der Hinweis, dass dies eine kostenpflichtige Straße sei, gab uns die Gewissheit, auf der richten Straße zu sein; ebenso die entgegenkommenden LKWs mit lettischen Kennzeichen.
So erreichten wir schließlich die Grenze, tankten vorher noch unsere Motorräder voll (bei EUR 0,65/Liter) und gaben den Rest Geld für Wodka und Zigaretten aus.
Nachdem wir die Passkontrolle erledigt hatten, kamen wir zum Zoll. Also alle Papiere wieder raus, und das was auch das erste Mal, dass ich meine Tasche öffnen mußte - Manfred ebenso. Plötzlich riesige Aufregung, nach dem mir die Dame im Zollhäuschen meinen Pass wiedergeben wollte. Es fehlte die "Emigration Card". Also, wo ist die? Ich habe niemals solch ein Dokument bekommen, da war ich mir sicher. Der Zollbeamte im Tarnanzug forderte Manfred auf seine Taschen zu durchsuchen - nichts. Immer dasselbe: "Emigration Card" - wahrscheinlich hätte sich das mit ein paar Rubel erledigen lassen, aber da wir kein russisch konnten, wie er von uns forderte, war eine Verständigung nicht möglich. Schließlich sprachen wir einen Mann an, der zum Zollhaus ging. Er konnte ein wenig englisch und so schilderten wir ihm unser Problem. Nach langem Palaver mit den Zollbeamten sagte er uns schließlich, wir könnten weiterfahren. Was ein Glück, ich dachte schon wir würden die Nacht dort auf der Zollstation verbringen müssen.
Kleiner Hinweis: Wie ich später erfuhr, muss man sich nach drei Tagen auf der Polizei am Aufenthaltsort registrieren. Dort bekommt man diesen Schein (einer mehr). Wenn die Einladung vom Hotel oder der Pension kommt, übernehmen diese die Registierung. Hätte man vorher wissen müßen.
So standen wir am letzten Schlagaum vor Lettland (Latvia) und mussten warten bis ein Austausch eines Patienten von Krankentransporter zu Krankentransporter beendet war, auch so ungefähr eine halbe Stunde; die Formalitäten dauern eben zwischen Russland und der EU.
Zurück in Europa. Wir hatten zwar viel Zeit
verloren, aber durch unser zügiges Fahren waren wir trotzdem schon
sehr weit gekommen. Eigentlich hatten wir uns ein Tagessoll bis
nach der russischen Grenze gesetzt und wollten uns dort ein Hotel
suchen, aber wir wollten soweit fahren wie es ging.
Die nächst größer Stadt war Rezekne und danach
kam Daugavpils. Landschaftlich änderte sich nie
viel. Mal ein See, ein Sumpf, eine Brücke, ein Kreisel, viel
Wiese, jetzt mit Kühen. So fraßen wir Kilometer für
Kilometer.
Schließlich kamen wir an der litauischen Grenze an. Die Prozedur
war schnell erledigt und weiter ging es Richtung
Kaunas. Es war mittlerweile abend geworden und wir
beschlossen ein Quartier zu suchen. Kurz hinter der Grenze fanden
wir die erste Möglichkeit.
Ein Schild mit Bett auf einem Richtungspfeil, das an einem idyllischen See stand, verleitete uns dort hinzufahren, einen kilometerlangen Feldweg, und nach einem freien Zimmer zufragen. Das Hotel ist geschlossen, deuteten wir aus den Gesten eines Wachmanns, der seine Hütte am Ende des Parkplatzes hatte und gleich auf uns zugeeilt war.
Schade, das wäre der ideale Ort gewesen mit wunderbarer Aussicht auf den See.
Also fuhren wir zurück und weiter Richtung Kaunas. Wir kamen an weiteren idyllischen Seenlandschaften vorbei, aber ein Hotel gab es dort nirgends, höchstens einen Campingplatz. So erfuhren wir an einer Tankstelle, das in der ein paar Kilometer entfernten Stadt mit Namen Utema das nächste Hotel wäre. Na also, dann nichts wie dort hin, dachten wir uns. Wir waren hungrig, da jeder nur unterwegs ein Sandwich gegessen hatten, dass ich aus dem Überbleibseln des gebratenen Huhns vom Vortag gemachte hatte.
So kamen wir in Utema an und fuhren die Hauptstraße entlang, von einem Hotel war aber nichts zusehen. So fragten wir die Polizei, die mit ihrem Auto an einem Supermarkt stand. Deutsch und englisch sind allerdings nicht die Sprachen, mit denen man sich dort verständigen kann - oder eher schlecht wie recht. Also bogen wir ins Stadtzentrum ein und an einem großen Platz fanden wir ein Gästehaus - so stand es zumindest in englisch drauf. Leider war es geschlossen und anscheinend niemand zu Hause.
Es stand eine Telefonnummer auf dem Schild, aber mit unseren Handys konnten wir nicht innerhalb Litauens telefonieren. Ein junges Pärchen, das auf einer Bank im Park saß, baten wir um Hilfe, aber ohne Erfolg. Erst als eine reifere Dame uns ansprach mit Ihren wenigen Brocken englisch, konnten wir erreichen, dass das junge Mädchen des Pärchens der älteren Dame ihr Handy gab und diese dort damit anrief. 10 Minuten später war der Inhaber da und wir hatten eine schöne Unterkunft für die Nacht, mit zwei Zimmern, Duschbad und einer Essküche.
Nachdem wir abgeladen und geduscht hatten, fuhren wir in ein Restaurant, das an der Straße lag. Dort gab es Pizza und diese war richtig gut, obwohl wir bei dem Hunger alles gegessen hätten. So klang auch dieser Tag mit ein paar Nachtschoppen aus. Wir waren zwei geplante Etappen an einem Tag gefahren, das hieß: ein Tag mehr an den masurischen Seen, an die wir am nächsten Tag fahren wollten.
Jetzt ging es aber erstmal in die Heia!
(gefahrene Tageskilometer: 656)