Sechster Tag - von Jurmala (Lettland) nach Talinn (Estland)
Als wir am nächsten Morgen nach der Morgentoilette zum
Frühstück gingen, fiel uns ein älterer Mann auf, der über das
Grundstück eilte mit einem Revolver im Halfter an seinem Gürtel,
Patronentasche und Tränengasspray. Muss wohl gefährlich sein hier
zu leben, kam uns bisher aber gar nicht so vor. Das war wohl der
Chef des Ganzen.
Das Frühstück war ohne Bufett mit abgepackten Portionen für
jeden. Bei der Preisklasse des Hotels eigentlich sehr
verwunderlich. Vielleicht waren aber auch die
"Verteidigungsausgaben" des Hotels recht hoch, so dass man am
Kundenservice sparen muss oder am Besten wo es geht noch was
draufschlagen kann.
Nach dem wir fertig mit frühstücken waren, wollten wir zu unserem Zimmer gehen und unsere Sachen packen. Als wir an der Rezeption vorbeikamen, fragten wir noch nach der Wettervorhersage, da der Tag recht trübe schon begann. Die Wettervorhersage kannte die Dame nicht, wohl aber dass der Chef Sie angewiesen hatte, von uns noch EUR 28,- nachzufordern, da wir ja in einem Zimmer der Businessklasse übernachtet hatten. Was ein toller Service! Wir empfehlen das Hotel jedem, der sich mal so richtig ausnehmen lassen will.
So fuhren wir nach dem Packen los. Der Himmel war wolkenverhangen und es regnete ab und zu. Die Strecke nach Riga betrug etwa 20-25 Kilometer. Von der Brücke aus konnte man bereits das Schloss und die Kirchtürme des historischen Stadtkerns sehen.
Wir überquerten die Brücke und kamen in die Innenstadt von Riga. Da das Wetter für eine Stadtrundfahrt nicht geeignet war, durchquerten wir die Stadt, mit den langen, breiten Straßenzügen und den Gebäuden aus der Gründerzeit, zügig. Es herrschte ein reger Verkehr auf den Straßen und es war nicht ganz so einfach den richtigen Weg Richtung estnischer Grenze zu finden.
Was mit leichten Regenschauern begann, entwickelte sich zu einem
fast durchgängigen Dauerregen. Die Strecke war, wie schon am
gestrigen Tag, recht eintönig. Meist ging es geradeaus durch Wald
und Wiese. Ab und zu konnte man einen Blick auf die Ostsee
erhaschen. Bei schönen Wetter bestimmt ein herrlicher Anblick; bei
Regen jedoch fehlte dem Ganzen dann doch die richtige Note.
Der Grenzübertritt nach Estland (Estonia) war nicht bemerkenswert.
Helm ab, Ausweis zeigen, Helm aufziehen, weiter ging es. Kleine
Pausen legten wir nur beim Tanken ein.
In Pärnü beschlossen wir eine längere Pause
zu machen und uns unterzustellen, da es wieder mal begonnen hatte
heftiger zu regen.
Im Stadtzentrum fanden wir ein großes Einkaufszentrum, das an den
Eingängen Dachvorbauten hatten, unter die wir die Motorräder
stellen konnten. Hier gab es auch eine Hamburgerkette, deren
Produkte wir mal probieren wollten, da es mittlerweile schon
früher Nachmittag war und der Hunger sich meldete. Das Frühstück
war ja nicht wirklich üppig ausgefallen.
Während wir gerade aßen, kamen drei weitere deutsche
Motorradfahrer angefahren und stellten auch Ihre Motorräder unter
das Vordach. Ein durchaus praktischer Platz, denn so hatte man sein
Gepäck immer im Auge. Wir unterhielten uns über Fahrziele und
Routen und erfuhren von Ihnen, dass sie von Kiel
nach Klaipeda die Fähre benutzt hatten und wie
wir nach Talinn wollten. Von dort dann zurück nach Deutschland
über Lettland, Litauen und Polen. Im Prinzip auch unsere, nur
abgekürzte, Route. Auch diese Variante ist eine gute Möglichkeit
für Biker das Baltikum zu bereisen.
Wir wünschten uns gegenseitig eine gute Weiterfahrt und machten
uns an die letzten 180 Kilometer nach Talinn, wie
gehabt, mit öfteren Regengüssen.
Die Ankunft in Talinn war alles andere als
angenehm. Ein Wolkenbruch vor unserer Ankunft hatten die Straßen
teilweise zu Seenplatten gemacht, da das Wasser wohl durch die
Kanalisation nicht mehr schnell genug ablaufen konnte. Wir waren so
gezwungen, durch die riesigen Pfützen zu fahren, ohne zusehen wie
tief sie sind und ob sich vielleicht Löcher darunter
verbargen.
So folgten wir den Schildern ins Zentrum zu den Fährhäfen. Wir
wollten uns ein Hotel in der Nähe der Altstadt suchen, aber wo wir
auch langfuhren, es war kein Hotel zu finden.
Endlich ein blaues Hinweisschild mit Bett. Wir fuhren der
Ausschilderung hinterher und landeten in einem Hostel, einer
Jugendherberge. Besser wie nichts! Wir bekamen ein Dreibettzimmer,
leider ohne Bad. Duschen gab es im Erdgeschoss nur als
Gemeinschaftsdusche und die Toilette war nebenan.
Egal - es war trocken und wir konnten uns nach dem Duschen schöne,
warme Klamotten anziehen.
Die nette Hostelmanagerin half uns, für den nächsten Tag die
Karten für die Fährüberfahrt nach Helsinki telefonisch
vorzubestellen, da uns das Buchen per Internet nicht gelang. Es gab
einfach keine Bestelloption für drei Personen mit drei Motorrädern.
Daran hatte der Programmierer bei der Seitenerstellung wohl nicht
gedacht.
Da es mittlerweile schon nach 21.00 Uhr Ortszeit geworden war,
beschlossen wir den Rundgang durch die Altstadt auf den nächsten
Tag zu verlegen und in der Nähe Essen zu gehen. Wir bekamen ein
Lokal empfohlen, dass nur wenige Minuten Fußmarsch entfernt
lag.
Die Empfehlung war echte Spitzenklasse. Das Essen war das Beste,
welches wir auf der ganzen Fahrt genießen konnten und das estnische
Bier schmeckte aus den Literkrügen echt prima. Auch ein besoffener
Gast wollte unbedingt mit uns anstoßen. Er "verdünnte" sein Bier
vorher noch mit einer ordentlichen Portion Wodka aus der Flasche,
die er bei sich hatte. Wahrscheinlich wollte er sich die Einnahme
von ein paar Litern unnützer Flüssigkeit ersparen.
Jetzt fühlten wir uns rundum wohler. Der Regen hatte aufgehört und wir liefen zurück zum Hotel. Nach einem kleinen Schlaftrunk auf unserem Zimmer dauerte es nicht lange, bis sich recht schnell die üblichen Schlafgeräusche einstellten.
(gefahrene Tageskilometer: 342)